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AutorenbildKaterine Dyckmans

Paul und seine absurde Fehldiagnose

Aktualisiert: 28. Feb. 2022



Paul kommt zu mir mit der Diagnose Hashimoto. Er ist Mitte 30 und die Schilddrüsen-Medikamente nimmt er bereits seit über zehn Jahren.

Ich schaue ihn an und denke – komisch, das sieht alles so gar nicht nach Hashimoto aus. Paul berichtet von der Kindheit mit einem trinkenden Vater, der früh an multiplem Organversagen starb und einer Mutter, die ihn nicht beschützen konnte. Alles an seinen Symptomen ist eigentlich sehr leberlastig. Wie ich euch vorangegangen bereits berichtete, haben Störungen der Schilddrüse, so auch Hashimoto, immer mit der Niere und der Nebenniere zu tun. Klar, die Hormone sind ja nun auch aus dem Gleichgewicht geraten. Es lassen sich jedoch keine weiteren Symptome finden, die auf eine geschwächte Niere oder Nebenniere schließen lassen. Ich war am Zweifeln. Ich fragte Paul, wie denn die Diagnostik zu Beginn des Hashimotos war. Eine Labordiagnostik gab es zu Beginn nicht - er habe direkt Tabletten bekommen aufgrund der Symptomatik. Das klingt gar nicht gut. Er sagte, er hatte innere Unruhe und dieses “Hormongedöns”, sonst nichts. Menschen mit Hashimoto haben einen Druck auf der Schilddrüse und spüren die Schilddrüse und entzündliche Prozesse oft sehr stark. Ich denke, dass er das meint mit “Hormongedöns”.

Gleichwohl wirkt er hormonell gedimmt, strahlt nicht, obwohl man sehen kann, dass alle Anlagen für einen freudvollen Menschen bei ihm vorhanden sind. Doch bei diesen Eingriffen in sein Hormonsystem, was in der Medizin unterirdisch schlecht erforscht ist, kommen Kettenreaktionen nicht mehr zustande.

Am darauffolgenden Tag sitzen wir auf der Terrasse und reden. Paul bückt sich und hebt etwas vom Boden auf und macht dabei eine Handbewegung, bei der er sich den Kopf am Scheitel hält und “Aua” ruft. Als ich fragte, was los ist, sagt er: „Ach, wieder das “Hormongedöns”.“ Ich fragte, ob seine Schilddrüse am Scheitel lokalisiert ist. Wenn nicht, vermute ich eine ganz andere Erkrankung. Diese Handbewegung, die er machte, ist typisch bei Migräne. Ein raumfordernder Prozess, bei dem die Hirnanhangsdrüse anschwillt und folglich zu diversen neurologischen Symptomen führt, abhängig davon gegen welches Hirnareal gedrückt wird. Vor allem aber macht es einen typischen Druck am Scheitel und eine dazu passende Kopfbewegung, die aussieht, als ziehe man den Hals in die Schultern zurück - etwa, als würde man sich ducken.

Ihr ahnt es, was über ein Drittel seines Lebens mit Hormonen therapiert wurde, sodass im Endeffekt ein gestörtes Hormonsystem dabei herauskam, stellte sich als Migräne ohne Kopfschmerz heraus. Was nicht selten vorkommt und von Medizinern einfach erkannt werden muss. So setzten wir die Medikamente ab, behandelten seine Migräne, die Unruhe und aus dem hormongestörten Mann wurde ein leichter, strahlender, schöner Mann.

Ich fragte Paul, ob er denn nicht auf die Idee kam, eine Zweitmeinung einzuholen. Er sagte, dass er ja bei einer Spezialistin war und die dasselbe sagte, wie ich, als er reinkam: das ist doch kein Hashimoto - schlussendlich hackt aber die eine Krähe der anderen kein Auge aus und so blieb sie -trotz allem- bei einer Diagnose, die so hanebüchen ist, dass ich dafür gar keine Worte mehr finde. Die Fehldiagnosen bei Migräne kommen in der Praxis sehr häufig vor und ich denke oft, wenn diese Medizin das nicht erkennt, was ist denn dann mit komplizierten Erkrankungen? Bei Migräne gibt es keinen Laborwert, der darauf deuten könnte, was die Diagnose ist - man muss einfach hinhören, was der Patient sagt - aber genau da liegt wohl die Problematik. Ich hatte unlängst einen Patienten, der in der Charité zwei Wochen auf Verdacht auf Schlaganfall behalten wurde und ohne Diagnose die Klinik verließ. Als er mir verzweifelt seine Symptome beschrieb, stellte es sich auch als Migräne ohne Kopfschmerz mit einer Aura heraus und die einseitige typische Symptomatik hat so wirklich gar nichts mit einem Schlaganfall zu tun.

Die Frage ist hier, sind Ärzte so unwissend oder tun sie so, um der Klinik mehr Umsatz zu bescheren und das Soll zu erfüllen? Beide Möglichkeiten sind hochgradig beunruhigend. Eine Migräne bringt nun wirklich gar nichts in die Klinik-Kasse - zwei Wochen Ursachensuche und Notfall hingegen sehr viel. Ein Paus, der ein Leben lang seine Medikamente abholt -und mittlerweile gibt es ja Erinnerungs-Emails zur Abholung des Rezeptes-, der lässt die Kassen auch klingeln. Stellt Diagnosen infrage, holt Zweit- und Drittmeinungen ein, wenn ihr Zweifel habt. Diese Medizin ist oft unwissend und unmoralisch und im ungünstigsten Falle beides.



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